Ein ganz NORMALER Arbeitstag? - Christian Runkel

Eine Geschichte um den täglichen Kampf im Home-Office

Die Krisen erzwungene, aber noch lange nicht krisenerprobte Arbeitszeit im Home Office stellt für viele eine große Herausfordrung dar. Klar, sind wir doch, wie man immer so schön sagt Gewohnheitstiere.

Morgens auf ins Büro, mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln. Schon kommt der gewohnte Aufreger ins Spiel. Wieder mal Stau auf der Strecke, die Baustellen dauern aber auch ewig, die Bahn kommt mal wieder nicht pünktlich. Und nun? Die zur lieben Gewohnheit gewordenen ersten Herausforderungen des Arbeitstages sind plötzlich obsolet.

Ungewohnte, neue Szenarien müssen bewältigt werden

Der erste, vielleicht auch der zweite Tag zu Hause laufen noch ganz gut und funktionieren irgendwie – fühlt sich halt ein wenig an wie Urlaub. Wenn sich dann der Chef*in oder der Kollege*in am Mobiltelefon meldet, fühlt man sich fast ein wenig in seiner Idylle gestört. Die folgende Tage wird es dann doch schon nervenaufreibender. Jetzt sind Tugenden und Kompetenzen gefragt, die man auch aus dem Job kennt, Arbeitsorganisation und Zeitmanagement.

Aber die stellt sich im eigenen Heim, gerade unter den gegebenen Umständen, als ganz andere Dimension und stündlich neue Herausforderung dar. Kinder müssen beschäftigt werden und sind, je nach nach Altersgruppe, wesentlich anstrengender als Mitarbeiter oder Kollegen. Der Partner*in sind auch gezwungen von zu Hause aus zu arbeiten. So ein Elend denkt sich mancher. Wie schön ist doch das gewohnte Arbeitsumfeld, da habe ich wenigstens mein eigenes Büro. Jetzt muss das Arbeitszimmer auch noch geteilt werden, oder zeitlich zugeordnet werden. Schon tut sich ein ungewohntes Konfliktpotential auf.

Also, Laptop ausgepackt und los geht es. Das erste Meeting per Microsoft Teams steht an, danach ein Kundengespräch per Zoom. Ach nee, muss das sein. Jetzt funktioniert diese Technik schon wieder nicht. Ok, schnell bei der IT anrufen, die müssen sich das mal eben ansehen. Na klar – keiner verfügbar, man sitzt ja zu Hause. Jetzt ist man auch noch sein eigener IT-Manager. Der Tag fängt ja gut an.

Gut, dann versuche ich mal den ein oder anderen Kunden zu erreichen. Nach 10 Minuten hat man das Gefühl alle sind im „Urlaub“. Hauptgesprächspartner ist die Mobilbox. Endlich mal erreicht man jemanden, da kommt eines der Kids reingestürmt mit der weltbewegenden Frage „Dürfen wir Fernsehen?“ Nachdem sich die Aufregung gelegt hat, schießt einem der Gedanke durch den Kopf, wie gut dass es Kitas, Ganztagesschulen gibt. Ein Hoch auf alle Erzieher und Lehrer.

Das Zwischenergebnis nach 2 Stunden im Home Office: Ernüchterung, Konzentration und Produktivität gehen gen Null. Schon meldet sich das Gehirn, ganz speziell die Belohnungsseite, die immer in Stressmomenten hervorragend funktioniert. „Ok, zur Belohnung gönne ich mir heute mal Currywurst Pommes in der Kantine, oder gehe ich doch zum Italiener?“

Halt – Stopp – schon ist der Belohnungstraum vorbei. Ausgangs- oder Kontaktsperre, Aufenthaltsbeschränkung, oder welche Bezeichnung auch jedes Bundesland für sich gewählt hat, durchkreuzen die schöne Vorstellung. Die nächste Herausforderung wartet – Selbstversorger! Na gut, dann ist Einkaufen angesagt. Eigentlich ist dafür jetzt gar keine Zeit, die Präsentation muss heute Nachmittag fertig sein. Und außerdem macht die Schlacht unter den Hamsterkäufern erst recht keinen Spaß. Also das könnte doch jemand anders aus der Familie erledigen. Na, das fühlt sich doch gleich schon wieder wie das richtige Arbeitsleben an. Keiner hat Lust, mal sehen wer es macht.

Mal wieder raus gehen, ins Konzert, das wäre heute Abend doch eine schöne Abwechslung. Da bleibt nur die Hoffnung auf die Nachbarn. Vielleicht gibt es ja heute Abend wieder ein Balkonkonzert.

Was am Anfang einer nicht abzusehenden Zeitachse noch amüsant und lustig zu sein scheint, kann nach einer gewissen Zeit richtig in Stress ausarten, Konflikte sind unvermeidbar. Work-Life-Balance wird zur echten Herausforderung, statt zum Wunsch-Modell.

Was kann helfen?

Tipp 1: Feste Tagesplanung mit Routine-Charakter

Jeder hat so seine eigene Routine wenn er ins Büro kommt. Der eine braucht erst einmal einen Kaffee und freut sich schon auf den ersten Austausch in der Küche. Der andere geht zielgerichtet ins Büro, macht die Tür hinter sich zu und fährt seinen Computer hoch. Wieder andere begrüßen erst einmal die Kollegen und checken die Tagesstimmung.

Bauen Sie auch zu Hause Ihre Routinen auf, die sich von Tag zu Tag mehr festigen. Legen Sie sich einen festen Tagesplan zurecht. Füllen Sie Ihren Tageskalender mit Aufgaben, die Sie erledigen wollen. Denken Sie aber auch an feste Pausen und Auszeiten. Setzen Sie Ihre Prioritäten und vermeiden Sie Ablenkung. Ja das ist zu Beginn das härteste Selbstmanagement-Traing, an dem Sie bisher teilgenommen haben. Das ist der erste Schritt zur Routine.

Manch einer kleidet sich so, wie er ins Büro gehen würde. Auch das kann hilfreich sein. Stimmen Sie Ihre festen Zeiten mit der Familie ab (siehe auch Tipp 3).

Tipp 2: Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten

Für alle Geplagten, die schon immer das Gefühl hatten nicht richtig informiert zu sein, was im Unternehmen los ist, wird die Zeit besonders grausam. Vermeiden Sie das Gefühl abgehängt zu sein. Suchen Sie möglichst viel telefonischen und digitalen Kontakt zu Kollegen, Vorgesetzten oder auch Kunden und Lieferanten, wer auch immer im normalen Berufsalltag Ihre Ansprechpartner sind. Nutzen Skype, Zoom oder sonstige Videomöglichkeiten um das Gefühl des persönlichen Austauschs zu stärken. Das wird auch Ihren gesprächspartnern gut tun, denn alle sitzen im gleiche Home- und Krisenboot. Nie war ein regelmäßiger Austausch für die Psyche und das Wohlbefinden so wertvoll.

Tipp 3: Konzentrationszeiten

Suchen und reservieren Sie sich Zeiten, wo Sie ungestört und konzentriert arbeiten können. Vereinbaren Sie mit den Familientgliedern die aus dem Tennis bekannte „Quiet Please“ Zeit. Diese nutzen Sie für Arbeiten, wo Ihre volle Konzentration gefordert ist. So steigern Sie dann nach und nach Ihre eigene Effizienz. Dieses Training können Sie übrigens auch später wieder im Büro fortsetzen.

Tipp 4: Fitness und Ernährung

Zu Hause bleiben und zu Hause arbeiten bietet die besondere Chance auf Ihre gesunde Ernährung zu achten. Sie müssen nicht in die Kantine oder zur Currywurst Bude. Jetzt ist die Zeit des Gemeinschaftserlebnisses mit der Familie. Gemeinsames Kochen und Essen können zu echten Genusszeiten und täglichen Highlights werden. Ein besseres Übungsumfeld für gesunde Ernährung werden Sie so schnell nicht mehr bekommen. Machen Sie gemeinsam Ihr Fitnessprogramm, es gibt ausreichend Anleitungen und Videos. Aber Vorsicht, überlasten Sie dabei nicht das Netz.

Tipp 5: Weiterbildung statt Netflix

Statt der nächsten Folge oder Serie in Netflix, oder bei welchem Streaming-Dienst auch immer hinterherzurennen, nutzen Sie die freie Zeit für Ihre persönliche Weiterbildung. Reinvestieren Sei doch einfach die ausgefallene Zeit des Pendelns zwischen zu Hause, Arbeitsplatz und zurück in Ihre Weiterbildung. Beschäftigen Sie sich mit Themen, die Sie schon immer mal in Angriff nehmen wollten. Möglichkeiten gibt es genung. Bücher, Podcats, Online Kurse – jetzt ist die Zeit etwas für sich selbst zu tun. 60 Minuten täglich dürfen es schon sein.

Welche Erfahrungen machen Sie gerade selbst mit der neu gewonnenen Arbeits-Freih(z)eit?

Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen und abwechslungsreichen Arbeitstag. Bleiben Sie gesund!

Ihr Christian Runkel

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